Carl Huter schrieb 1910 über die:

Wissenschaftliche Psychophysiognomik (Lebensformen-Ausdruckskunde)

ethische Schönheitsreligion, Kallisophie

neue Ethik

Diese Entdeckungen sind die Grundpfeiler der drei grossen Lehren, welche meine Lebensarbeit ausmachen. Man kann die erste religiöse Wissenschaft, die zweite wissenschaftliche Religion nennen; im Mittelpunkt steht die neue Ethik.

Es gibt nichts Unbeseeltes in der Natur, es gibt ein ewiges, allüberall schlummerndes oder tätiges Leben!

Ich bin durch alle meine Experimente und Forschungen zu der Überzeugung gekommen, dass es eine geistige Welt, höchste Wesenheiten, auch ein zentrales, göttliches Weltwesen gibt. Ich nehme an, dass es höchste Entwicklungsstufen der allbeseelenden Empfindungsurweltenergie sind. Diese höchsten geistigen Persönlichkeiten sind die Spitzen, die Blumen allen Lebens und allen Seins. Ich glaube aber nicht, dass diesen höchsten, geistigen Wesen alle die unangenehmen Eigenschaften anhaften in dem Sinne, wie es die Kirche lehrt, wie beispielsweise, dass ein heilig guter Gott ewige Strafen verhängt. Ich glaube auch nicht, dass es Teufel, Hölle und ewige Verdammnis gibt, sondern ich vermag nur an bedingt böse Zustände und überwindbare böse Wesenheiten zu glauben. Ich glaube daher an die allgütige, das All durchflutende Empfindungsenergie als Urkraft, als Unterbewusstsein aller Dinge, das unpersönlich sein kann, das sich aber auch in viele Einzelteilen teilen, konzentrieren und personifizieren kann. Es ist daher niemand einer totalen und ewigen Verdammnis anheimfallen. Ich glaube daher an die ewig werdende Welt der Dinge und einzelner Lebewesen, glaube auch, dass dieses nicht von kalten Wissenschaften, sondern von warmen Gefühlskräften bewirkt wird und dass daher das gute Wollen, das Streben nach Höherem, die Kultur des ethischen Elements wichtiger für die Menschen sind und sie wertvoller machen als eine endlose Vielwisserei ohne ethischen Gehalt und ohne höhere Gefühlsbildung in Wissenschaft und Religion. Ich zähle auch die Lehre von der Erbsünde als einer Schuld, die man büssen müsse, zu den Irrtümern. Ich glaube an die eigene Kraft der Selbstvervollkommnung, Selbstüberwindung und Selbsterlösung mit Hilfe guter Vorbilder und eines festen Glaubens und Willens für das Gute, eines klaren Verstandes für das Wahre und eines lauteren Charakters für das Rechte.

Alles Geistige muss aus geistigen Urenergien der Welt hervorgegangen sein und kann sich nicht gebildet oder entwickelt haben, ohne dass der Materie solche Urkräfte geistigen Lebens innewohnten. Ich glaube nicht, dass die Schöpfung durch die Persönlichkeit, die eher da war als die Welt, möglich gewesen ist. Alle Individuen und persönliche Wesen haben sich aus dem Weltall, das ewig mit der Allseele da war, entwickelt.

Ebensowenig kann sich das Stoffliche aus dem Geistigen entwickelt haben. Aller Stoff ist aus einem Urstoff hervorgegangen und alles Geistige ist aus einer urgeistigen Weltenergie geboren. Diese Urenergie braucht aber lange nicht als Gott im Sinne einer zentralen Weltpersönlichkeit aufgefasst zu werden, sie kann auch als geistige Wurzelkraft, in allen, selbst den kleinsten Dingen wohnend, als Eigengeistiges, unzertrennlich und unveräusserlich mit diesem verbunden sein. Über diesem alles beseelenden Wurzelgeist aller Dinge im Kleinen ist recht wohl ein geistiger Stamm zu denken, in welchem alle unzähligen geistigen Wurzeln sich vereinigen zu einer grossen Einheit, zu einem Oberbewusstsein aller Dinge. Ich glaube, dass es so ist und dass dieses Oberbewusstsein die Vorsehung ist, der eigentliche Gott als Vater, der das All durchflutet, zugleich Weltgeist und doch Persönlichkeit ist. Aus diesem Stamm lässt sich eine Krone entwickelt denken, das Reich der ewigen Glückseligkeit.

Das aber steht fest, dass alles, was ist, durch seinen innewohnenden Trieb empor entwickelt wurde und immer weiter entwickelt wird. Alles, was ist, fühlt, dass es ein über das eigene ich hinausgehendes höheres Etwas gibt und dass dieses nur mit dem Innenleben, mit dem Gefühl und mit der Phantasie erfasst werden kann. Es ist das Idealbild, das jedes gesund empfindende Lebewesen in sich erzeugt und in sich trägt, dem es nachlebt und von dem es wünscht, dass es sei.

Dieses ist ein heiliges, ein göttliches Sein, über das Ich hinausgehendes Lebensideal an Geist, Talent, Kraft, Glück und Schönheit. Ich habe nachgewiesen, dass diese innere Schöpferkraft die dritte Grundursache aller höheren Entwicklung ist; sie ist die wahre, innere und natürliche Religionskraft, die nicht vernachlässigt werden darf, sondern die wieder geweckt, geläutert und kultiviert werden muss.

”Kampf ums Dasein”, sagt Lamarck, und ”Zuchtwahl”, sagt Darwin, ist die Ursache der Entwicklung der Lebewesen.

Ich aber sage, Idealliebe, Idealkraft, Idealkultus, kurz religiöses, von Dogmen freies, heiliges Innenleben im Streben nach Besserem und Vollkommenerem ist die Ursache aller letzten Höherentwicklung.

Kampf ums Dasein und Zuchtwahl können uns entfalten; die Liebe, die Schönheit, die Religion allein kann uns höher entwickeln und die Liebe in allem kann Höheres, Besseres schaffen, zeugen und vererben. Wo diese Elemente fehlen, treten Stillstand, Verfall und Niedergang auf, und damit ist das Schicksal eines Individuums, einer Art und eines Volkes besiegelt!

Von diesem praktischen Gesichtspunkten aus, möchte ich ein religiöswissenschaftliches Kulturneuleben schaffen. Das sind meine Ideale und Bestrebungen, diesen gehe ich nach, trotz den Kämpfen und Hindernissen, die mir Fanatiker von rechts und links bereitet haben.


 Die originalen  Werke von Carl Huter sind im Carl-Huter Verlag, Zürich neu aufgelegt.

 Bitte für eine Kontaktaufnahme unser Kontaktmodul mit Email-Adresse nutzen.
 (alle kursiv gesetzten Texte auf dieser und folgenden Seiten zitieren Carl Huter)



Carl Huter:

Jedes Wesen aber, das lebt, ist durch ein Stücklein von dem Glück, das man Liebe nennt, und war es auch nur einen Augenblick, ins Leben gerufen – trägt also ein kleines Samenkorn von Liebe und Glück in sich, und dieses ist eigentlich der Träger des Lebens.